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Kompakt, flexibel und höchst präzise getaktet

11.10.2017

Das neue Materialwirtschaftszentrum (MWZ) der Maschinenfabrik Reinhausen bietet höchste Transparenz und Verfügbarkeit für die präzise Produktionsversorgung. Es sorgt mit drei Lagersystemen, Multi-Order-Kommissionierplätzen, entnahmegerecht beladenen Routenzügen und intelligentem Lagerverwaltungssystem inklusive innovativem Staplerleitsystem für die bedarfs- und zeitgerechte Bestückung der Produktion.

Dies unterstützt die Maschinenfabrik Reinhausen bei der Erreichung der Liefertermintreue von 99,3 Prozent bei einer Kundenauftragsbezogenen Montage.

psb intralogistics hat für die in Regensburg ansässige Maschinenfabrik Reinhausen GmbH (MR) die komplette Intralogistik des neuen Materialwirtschaftszentrums (MWZ) realisiert.

Vielfältige Gründe machten das neue MWZ erforderlich, wie Jürgen Liebl, Projektleiter und Leiter der Produktionslogistik bei MR, erläutert. So waren die zur Verfügung stehenden Flächen und Lagerkapazitäten für das Unternehmenswachstum unzureichend und eine Erweiterungsoption war nicht verfügbar. Zuvor gab es auf den Werksarealen in Regensburg-Reinhausen und Haslbach insgesamt neun eigene Lagerstandorte sowie zwei weitere externe mit insgesamt rund 15.000 m² Fläche. »Die vielen Standorte früher waren logistisch eine Katastrophe«, betont Liebl: Für einen logistischen Transportrundlauf waren jeweils 32 km Lkw-Fahrt durch Regensburg zu absolvieren. Des Weiteren war die Lagertechnik teilweise veraltet.

Hinzu kam eine Vielzahl an Schnittstellen und Beteiligten, unter anderem ein externer Dienstleister für die so genannten »Schläferteile« sowie »ein geringer Grad an IT-Unterstützung und Automatisierung.«

Je ein GU für den Bau und die Intralogistik

Die Suche nach der idealen Lösung für ein neues, leistungsfähiges MWZ hat sich MR keinesfalls leichtgemacht. So wurden unterschiedliche Szenarien erwogen und detailliert durchgespielt, wofür, wie Liebl erläutert, ein fast 300 Seiten umfassendes Lastenheft erstellt wurde.

Nach ausführlicher Prüfung entschlossen sich die Verantwortlichen von MR, das MWZ auf einem erworbenen Grundstück angrenzend an den Produktionsstandort Haslbach selbst zu verwirklichen und den Bau der Halle sowie die Realisierung der Intralogistik mit jeweils einem Generalunternehmer umzusetzen.

Den Auftrag für die Planung und Realisierung der gesamten Intralogistik erteilte MR dem Pirmasenser Spezialisten psb intralogistics. »Wir haben ganz bewusst ein familiengeführtes mittelständisches Unternehmen als Partner gesucht«, betont Liebl, »mit dem wir auf Augenhöhe diskutieren können und bei dem wir als A-Kunde geführt werden, mit allen damit verbunden direkten Kommunikations- und kurzen Entscheidungswegen.«

Zu der strategischen Zielsetzung des neuen MWZ, für das eine Gesamtinvestitionssumme von 24,5 Millionen Euro veranschlagt wurde, zählen die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, die Erhöhung der Qualitätsstandards, die Reduzierung der Bestände und Kosten, die Erhöhung der Verfügbarkeit und die TCO-Betrachtung bei Senkung der Logistikkosten inklusive der Qualitätskosten.

Nach entsprechender Planungsphase konnte im März 2014 mit dem Bau begonnen werden, die Produktivsetzung der Anlage war im Januar 2016.

Zum Auftragsumfang von psb zählen das Automatische Kleinteilelager (AKL), und das Hochregallager (HRL), jeweils mit Regalbediengeräten (RBG) sowie das manuelle Lager für Großladungsträger (GLT), die Paletten- und Behälterfördertechnik, das Lagerverwaltungssystem psb selektron-WMS und selektron-SCADA zur Visualisierung

Drei leistungsfähige Lagersysteme

Die drei Lagersysteme sind unter optimaler Flächennutzung kompakt nebeneinander in das 100 m lange, 76 m breite und 26 m hohe Gebäude des neuen MWZ eingepasst.

Das fünfgassige und von fünf RBG des Typs »maxloader« von psb bediente Hochregallager (HRL) mit den Maßen 55 x 23 x 22 m (LxBxH) bietet 8.700 Stellplätze für 1200 x 800 mm messende Europaletten und für Palettenboxen.

Parallel dazu wird im HRL auch eine große Anzahl an Halbpaletten doppeltief gelagert. Die beladenen Großladungsträger (GLT) können bis zu 1800 m hoch sein und dürfen maximal 1000 kg wiegen. Das HRL leistet für Europaletten je Gasse 40 Doppelspiele pro Stunde.

Das viergassige, von vier RBG des Typs »sprinter« bediente AKL ist 41 m lang, 16 m breit sowie 15 m hoch und bietet 46.000 Stellplätze für Behälter und Tablare, die doppelttief gelagert werden können. Neben den aktuell genutzten THM der Größe 600 x 400 mm ist die Anlage bereits jetzt für das Handling von Behältern der Größe 400 x 300 mm ausgelegt. Das AKL leistet pro Stunde rund 120 Doppelspiele je Gasse.

Das zwischen AKL und HRL installierte viergassige, per Schubmaststapler bediente Großteilelager nimmt auf bis zu 2.000 Stellplätzen übergroße Paletten und Gitterboxen auf.

Die große Anzahl von Stellplätzen der verschiedenen Lagersysteme erklärt sich aus der immensen Varianzbreite der Teile: So baut MR in Serie zwar »nur« rund zehn Produkte, diese allerdings in »x-tausend Variationen«, wie Liebl erläutert.

Kundenauftragsanonyme Fertigung, auftragsbezogene Montage

Die drei unterschiedlichen Lagersysteme und deren präzises Zusammenspiel sind für die MR-typischen produktionslogistischen Prozesse erforderlich. Liebl: »Wir haben das Materialwirtschaftszentrum als Puffer für die fremdbeschafften Teile und als Puffer bzw. zur Bevorratung der eigengefertigten Teile gebaut.«

So werden in den Lageranlagen die kundenauftragsanonym gefertigten Teile vorgehalten, bis diese für die Montage benötigt werden, die rein kundenauftragsbezogen durchgeführt wird; hierbei wird fünf Tage vor dem jeweiligen Ausliefertermin mit der Endmontage des Produktes begonnen.

Pro Jahr passieren bis zu 6000 Anlieferungen mit den benötigten Teilen den Wareneingang. Vor der Einlagerung werden die Teile an speziellen Plätzen geprüft, anschließend im Bereich der Palettierung für das Einlagern vorbereitet, wenn nötig in Standardbehälter umgepackt und im System mit dem Behälterbarcode »verheiratet«. Durch Scannen der Barcodes können die Waren jederzeit identifiziert werden, zudem lassen sich Zusatzinformationen wie beispielsweise das Einlagerungsdatum oder das nächste Transportziel für den Behälter abrufen.

In unmittelbarer Nähe zum Wareneingang befindet sich die Einlagerstation für das AKL. An zwei Einlagerarbeitsplätzen packen Mitarbeiter die palettierten Behälter auf Tablare und verheiraten sie per Scan-Vorgang mit diesen. Zudem werden unter anderem Gewicht und Kontur überprüft. Wie Liebl erläutert, kennt das von psb installierte Lagerverwaltungssystem (LVS) selektron »via Übertragung aus dem übergeordneten SAP das Gewicht der Teile, das Gewicht des Tablars und das Leergewicht unserer Behälter, rechnet das Gesamtgewicht bei jedem Einlagervorgang hoch und kann somit sofort Stückzahlabweichungen feststellen.«

Vollständige Transparenz über Teile und Prozesse

Da im Laufe des Fertigungsprozesses immer wieder Behälter von den Tablaren entnommen werden, identifiziert das WMS von psb automatisch Tablare mit einem Füllgrad unter 50 % (parametrisierbar) und fördert sie zum Wareneingang, wo sie wieder aufgefüllt werden. Zusätzlich gibt die psb selektron Software vor, auf welchen freien Stellplätzen des Tablares der Behälter platziert werden kann. Diese Stellplätze werden dem Mitarbeiter bei der Einlagerung plakativ auf dem Bildschirm angezeigt. Somit ist permanent eine hohe Lagerdichte des AKL gesichert.

Jeder einzelne Behälter wird vor der Einlagerung auf der Fördertechnik automatisch fotografiert, so dass über Aufruf der im LVS psb selektron hinterlegten Materialnummer der Inhalt des gesamten Tablars überprüft werden kann, was die Qualität der Prozesse zusätzlich steigert.

Die nach der Palettierung für das HRL bestimmten Teile werden per Gabelstapler oder Elektrohochhubwagen auf eine der beiden Einlagerbahnen gesetzt. Lichtschranken und Scanner erkennen und unterscheiden Europalette, Gitterbox oder Palettenbox oder Halbpalette.

Das System entscheidet auch, ob eine ganze Palette oder eine Teilmenge aus dem HRL entnommen werden soll. Entsprechend werden die Gebinde an eine der beiden Vollauslagerbahnen oder einen der vier Kommissionierarbeitsplätze transportiert. Dort kann der Mitarbeiter die Palette auf die für ihn ergonomisch optimale Höhe fahren und schwere Teile mit dem installierten Säulenschwenkkran entnehmen.

Das manuelle Lager für Großladungsträger nimmt alle Einheiten auf, die das Grundmaß einer Europalette überragen oder höher als 1800 mm sind. Paletten bis zu einer Größe von 3,75 x 1,3 x 2 m (BxLxH) können eingelagert werden. Die Bedienung des Lagers übernimmt ein Schubmaststapler mit 13 m Masthöhe, der mit Assistenzsystemen wie Hubhöhenvorzahl, Maststabilisator und Zinkenkamerasystem ausgestattet ist. Über einen Touch-Monitor erhält der Bediener die Fahraufträge des Staplerleitsystems angezeigt.

Ergonomisches Multi-Order-Picking für bis zu fünf Routen

»Das AKL ist der Lagerbereich mit dem höchsten Umschlag«, so Liebl über das Lagersystem mit seinen insgesamt 46.000 Stellplätzen für Tablare, von denen jedes bis zu zehn Behälter mit unterschiedlichen Artikeln aufnehmen kann. An den vier Kommissionierarbeitsplätzen in der Vorzone des AKL werden jeweils bis zu 60 Tablare in der Stunde für Entnahmen bereitgestellt.

Per »Multi-Order-Picking« lassen sich an den Kommissionierplätzen Teile für bis zu fünf Auftragsbehälter entnehmen. Hierbei entnimmt, wiegt, etikettiert und verpackt der Mitarbeiter in einem Schritt Teile, die für die Fertigung oder Montage benötigt werden und schickt sie an eine von sechs Sorterbahnen.

Der Mitarbeiter wird bei seinen Tätigkeiten mit Dialogen über einen Touch-Screen-Monitor geführt. Er erhält beispielsweise über unterschiedliche Farben angezeigt, ob es sich um Einzel- oder Vollentnahmen via Kanban oder die im psb selektron auch programmierte Negativ-Kommissionierung handelt.

Die Multi-Order-Kommissionierplätze »funktionieren vergleichbar einem Kassensystem im Supermarkt«, erläutert Liebl:Je nach Aufkommen können wir Arbeitsplätze zu- oder wegschalten.

Im AKL werden pro Tag im Zweischicht-Betrieb rund 4000 Picks geleistet, im Mittel rund 250/h, und in Spitzenzeiten können es auch mal 500/h Picks werden. Ein Pick bedeutet entweder ein Einzelentnahme aus einem Behälter oder die Entnahme des kompletten Behälters.

Die auf den Kommissionierplätzen des AKL vorbereiteten Behälter werden durch die Fördertechnik auf eine von sechs Sorterbahnen verteilt. Generell wird, wie Jochen Hartman, der bei psb das Projekt vertriebsseitig betreute, betont, durch die Entkopplung der Arbeitsschritte beim Kommissionieren der Tablare und bei der Verteilung auf die Routenzüge die Leistung an den Kommissionierarbeitsplätzen deutlich erhöht.

Entnahmegerechte Beladung der Routenzüge

Jede der Sorterbahnen entspricht dabei einer Vielzahl von Zielen in der Fertigung oder Montage. Diese Ziele sind so auf die Sorterbahnen verteilt, dass die spätere Ausfahrroute der Routenzüge beachtet wird. Zudem wird für die ergonomische und effiziente Entnahme »berücksichtigt, ob der Arbeitsplatz in der Fertigung oder der Montage in Fahrtrichtung links oder rechts steht«. Jeder Be- und Entladeschritt der Routenwagen wird mit Barcode-Scanner erfasst und gebucht, so dass die Teilebewegungen jederzeit transparent sind.

Insgesamt sind 10 Routenzugschlepper mit Transportwagen zur Versorgung aller Bereiche der Fertigung in Haslbach und der Montage in Regensburg im Routenzugkonzept eingesetzt.

Mit dem neuen MWZ wurden eine Reihe signifikanter Verbesserungen erreicht. Liebl nennt zum einen die Kompaktheit der gesamten Anlage: »Wir haben nun rund 7.630 m² Fläche und damit im Vergleich zu den vorherigen vielen Lägern die Quadratmeter-Zahl um 50 Prozent reduziert.« Bedingt durch die kleine Fläche gelte es, »zwingend die Prozesse einzuhalten, um einen schnellen Materialfluss zu garantieren«. So können nun die Produktionsbereiche je nach Anforderung innerhalb von zwei bis vier Stunden mit Material versorgt werden.

Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistet das Lagerverwaltungssystem psb selektron in mehrfacher Hinsicht. Angefangen bei der Transparenz der Materialnummern über die exakte Teile- und Behälter-Erfassung per Barcode und Scanning bis zur Produktionsversorgung in systemgesteuerten Routen.

Innovatives Leitsystem für die Routenzüge

So hat MR gemeinsam mit psb ein spezielles Staplerleitsystem entwickelt, das auch als Leitsystem für die Routenzüge fungiert und in das LVS selektron integriert ist. Der Fahrer des Routenzugs sieht das bereit gestellte und per Barcode auf einen Platz gebuchte Material auf einer Transportmaske, bucht es auf seinen Routenzug und nach Abgabe am Zielort auf den dortigen Arbeitsplatz; mit diesem kompletten Tracking ist im System exakt fixiert, wer welches Material wann wohin transportiert und wer es erhält.

Entscheidend ist auch die Kommunikation des in ERP-Funktion eingesetzten SAP-System mit dem LVS selektron, die über eine einzige iDoc-Schnittstelle geschieht. So werden beispielsweise die Auslager- und Transportbedarfe per iDoc an das selektron geschickt und nach Ausführung wieder zurück an das SAP gemeldet. Wie Liebl betont, müssen nur die Mitarbeiter im MWZ mit selektron umgehen können, da via iDoc-Kommunikation sämtliche Informationen, etwa über Bestände, Lagerplätze, Aufträge und die Qualität der Materialien über das SAP einsehbar sind.

Erfolgreiche und vertrauensvolle Kooperation »auf Augenhöhe«

Was die Kooperation von MR und psb betrifft, so zeigt sich Liebl sehr zufrieden: »Ich habe selbst intensiv erlebt, dass sich die hier zusammengestellten Projektteams hervorragend mit ihrem Fachwissen ergänzt haben, mit dem Ergebnis einer sehr kooperativen Projektzusammenarbeit.«

Wichtig für das Gelingen des ebenso umfangreichen wie anspruchsvollen Projektes war die enge Kooperation der beiden Familienunternehmen. Dabei haben sich angefangen bei den Projektteams über die Servicemannschaften bis hin zu den Geschäftsführern alle Beteiligten persönlich kennengelernt. Liebl: »So wurde eine Beziehung zwischen den Menschen aufgebaut, was die Lösung von Herausforderungen erleichtert. Denn es ist etwas ganz anderes, wenn ich den Kollegen selber kenne und mich mit ihm bereits unterhalten habe, anstatt nur per Mail oder flüchtigem Telefonat zu kommunizieren.«

So führen High-Tech und persönliche Kommunikation gemeinsam zum Logistik-Erfolg.

Reinhard Irrgang
Freier Fachjournalist



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