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Maßgeschneiderte Logistik

20.01.2010

Hugo Boss steigert in seinem neuen Multi-Channel-Warehouse sukzessive die Auslastung. Allein in die Intralogistik investierte der Modekonzern rund 30 Mio. Euro.

Seit den 1970er-Jahren hat sich das Produktportfolio der Hugo Boss AG stark verändert. Heute bietet der ehemals klassische Herrenausstatter nicht mehr nur Businessmode für Herren, sondern das ganze Spektrum von Sportbekleidung bis zur Abendgarderobe, auch für Frauen, an. Mit den zwei Kernmarken „BOSS“ und „HUGO“ und den vier Modelinien „Boss Black“, „Boss Selection“, „Boss Orange“ und „Boss Green“ bedient der Modekonzern unterschiedlichste Zielgruppen an insgesamt 6.100 Point of Sales in 110 Ländern. Um diese Komplexität und Volumina an Hänge- und Liegeware bewältigen zu können, beschloss Hugo Boss 2006, seine weltweite Logistik für hängende Teile am Firmenstammsitz Metzingen zu zentralisieren.

Nach 24 Monaten Planungs- und Bauzeit ging dann im Mai 2009 das nach eigenen Angaben „modernste Distributionszentrum für Hängeware in Europa“ (siehe auch Interview in LH 11/08) in Betrieb. Konzipiert als sogenanntes Multi-Channel-Warehouse soll es weltweit alle Vertriebskanäle des Modekonzerns mit Hängeware versorgen, vom Einzelhandel über die Großkundenbelieferung bis zum B2C-Geschäft.

Ziel: Kundenneutrale Fertigung

Anlass für den auf 25.000 m² Grundfläche errichteten Neubau war ursprünglich die Implementierung von SAP als ERP-System, das Hugo Boss heute durchgängig von der Produktentwicklung bis zum Verkaufstresen nutzt. Zuvor hatte das Lifestyle-Unternehmen verschiedene ERP-Systeme im Einsatz, die eine kundenbezogene Fertigung vorgaben. Mit der Einführung von SAP gab es einen kompletten Strukturbruch über die gesamte Supply Chain hinweg. Heute setzt Hugo Boss auf eine kundenneutrale Fertigung mit spätestmöglicher Empfängerzuordnung in der Lieferkette.

Weitere Gründe für die Realisierung des Großprojektes waren eine notwendige Kapazitätsanpassung aufgrund der Zentralisierung verschiedener Lagerstandorte verbunden mit einem Umdenken vom Out- zum Insourcing. In dem neuen Lagerkomplex wurden die ehemaligen Standorte Metzingen, Markgröningen und die der bisherigen Outsourcing-Partner zusammengefasst. Dezentrale Lagerstätten unterhält Hugo Boss heute nur noch in Nordamerika und Australien. Im Zukunftsmarkt Asien konnte das Unternehmen die kritischen Mengen für den Aufbau eines eigenen Umschlagzentrums mit einem Absatzanteil von rund zehn Prozent bisher noch nicht erreichen. 2006 startete das Lagerprojekt mit einer globalen Netzwerkanalyse. Dabei ermittelte der Modekonzern Zielsetzungen, Größendimensionierungen und Wachstumsszenarien über alle Regionen hinweg. In Abstimmung mit den Produktdivisionen wurden für jede Marke in jedem Land die Beschaffungs- und Absatzmärkte – bezogen auf einen Zeithorizont von sechs Jahren – konzernintern abgefragt. „Dass man alle zu- und abgehenden Warenströme der Zukunft sauber evaluiert, ist für ein solches Großprojekt ganz entscheidend“, betont Ralf Schneider, Mitglied der Geschäftsleitung und Direktor Logistik der Hugo Boss AG, der das Vorhaben verantwortete.

Mitten in Europa

Bei der Wahl des Standortes Metzingen war die zentrale Lage in Mitteleuropa entscheidend, wo Hugo Boss derzeit 75 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet. Alternativ wurden verschiedene Standorte in anderen Ländern geprüft. „Die höheren Grundstücks- und Personalkosten am Stammsitz gleichen wir jedoch durch einen höheren Automatisierungsgrad und kürzere Verbindungswege zu den Point of Sales aus“, erklärt Schneider. 2007 ging das Projekt mit dem Business-Plan für das Distributionszentrum Metzingen sowie separate Ausschreibungen für Gebäude- und Fördertechnik in die heiße Phase.

Zum Jahresbeginn 2008 startete der Rohbau mit der Bodenplatte. Die Gebäudehülle erstellte der Vermieter, die Holy AG, die gemeinsam mit Hugo Boss und dem Bielefelder Generalplaner Goldbeck Layout und Erscheinungsbild definierte. Dabei hatte der Modekonzern auch einen ästhetischen Anspruch an das Lagergebäude, das die Corporate Identity des Unternehmens widerspiegeln soll.

Bei der Planung der Intralogistik unter dem Lagerverwaltungssystem SAP LES (Logistics Execution Systems) wurde Hugo Boss von dem Frankfurter Beratungsunternehmen Miebach Consulting unterstützt. Im Inneren der Anlage befindet sich ein Systemstahlbau, der von SSI Schäfer über vier Etagen errichtet wurde. Das Unternehmen verfügt so über eine Nutzfläche von fast 115.000 m² – eine Fläche so groß wie die Stuttgarter Messe.

Insgesamt wurden 37 km trolleyloser Fördertechnik der P.E.P. Fördertechnik GmbH, Bielefeld, mit einem Eigengewicht von 300 t montiert. Davon sind 13 km automatisch angetrieben. Verlegt wurden zudem Abhängestangen über 100.000 laufende Meter sowie 6,3 km Druckluftleitungen für die Mechanik-Steuerung. Insgesamt investierte Hugo Boss rund 30 Mio. Euro allein in die Intralogistik.

Das Thema „Green Logistics“ spielte ebenso eine wichtige Rolle bei der Planung: In Kooperation mit der Stadtverwaltung und der Holy AG wurde eine Photovoltaik-Anlage auf dem 22.000 m² großen Flachdach installiert, die den Jahres-Stromverbrauch von 225 Vier-Personen-Haushalten decken soll.
Allein die Bauphase war aus Schneiders Sicht „Logistik pur“. Insgesamt wurden für den Stahlbau 450 t Stahl in über 300 Lkw angeliefert. Täglich hatten die 110 Monteure bis zu vier Sattelzüge zu entladen und im Dreischichtbetrieb, auch am Wochenende, zu verarbeiten.

Die SAP-Integration übernahm parallel die IGZ Ingenieurgesellschaft für logistische Informationssysteme mbH, Falkenberg, die bereits zu Baubeginn die Programmierungsarbeiten aufgenommen hatte. Inneneinrichtung und Technik koordinierten mehrere Teams der konzerninternen Logistikplanung in Eigenregie – von der Lüftung über den Sprinklerschutz und die Elektrik bis hin zur Systemsteuerung.
Ende 2008 war der Bau abgeschlossen, inklusive Stahlbau, Intralogistik und der Technikintegration in SAP LES. Es folgten Einzeltests der Fördertechnik- und Hardwareelemente. Den Abschluss bildete ein kompletter Integrationstest, der erfolgreich verlief.

„In dieser Größenordnung gibt es kein Projekt, das genau nach Plan läuft. Wir haben einiges nachjustiert“, erinnert sich Schneider. Dabei erwies es sich als hilfreich, dass das Team über alle Projektphasen hinweg permanent den Status abfragte – vom Projektmanagement über regelmäßige Jour-Fixe bis hin zum Logistikcontrolling bei den Vorlieferanten. „Das war ein großer Aufwand, aber er hat sich gelohnt, weil wir so keine bösen Überraschungen erleben mussten, sondern stets genügend Zeit hatten, zu reagieren“, erklärt der Logistik-Chef.

Herzstück der Anlage sind heute zwei automatische Matrixsorter mit einer Kapazität von 8.000 Teilen pro Stunde. Hugo Boss setzt in Metzingen auf ein zweistufiges Kommissionierverfahren. Im ersten Schritt erfolgt die kundenunabhängige Stapel-Kommissionierung im Artikellager. Erst im zweiten Kommissionierschritt wird die Ware den jeweiligen Kunden zugeordnet. Verschiedene Sortierkriterien ermöglichen dabei die flexible Berücksichtigung von Kundenwünschen.

Die Anlage besitzt eine Lagerkapazität von rund 1,5 Mio. Teilen Hängeware und kann 100.000 hängende Teile am Tag kommissionieren. Die Leistung lässt sich im Zweischichtbetrieb nahezu verdoppeln. Die Ein- und Auslagerprozesse beschleunigen RFID-Transponder von P.E.P. Fördertechnik, intern liebevoll „Elvis“ genannt, sowie 2D-Barcodes. Sie werden mithilfe der in die Fördertechnik integrierten Kamerasysteme „Matrix 400“ sowie „Serie 6000“ von Datalogic Automation sowie mit mobilen Datenerfassungsgeräten gelesen. Beide Informationsträger werden im Wareneingang manuell mithilfe eines Adapters an der Ware angebracht und miteinander im SAP verheiratet. „Elvis ist der entscheidende Unterschied zu anderen bestehenden Lagern der Branche, denn der Chip speichert alle Informationen, die wir früher auf unseren Trolleys notiert haben“, erläutert Schneider die Vorzüge der eindeutigen Identifikation und des lückenlosen Inhouse-Trackings.

Schneller in Volllast

Die gegenwärtige Wirtschaftskrise hat das Projekt insofern beeinflusst, als dass Schneider das neue Lager schneller als beabsichtigt auf Volllast hochfahren muss. Um Kosten zu senken, wurden Verträge mit externen Dienstleistern früher als geplant gekündigt und die entsprechenden Leistungen ingesourct. In zwei Stufen wurden die Mengen so über ein halbes Jahr gesteigert, statt, wie ursprünglich geplant, sukzessive in einem Jahr.

Der Grund für den schnelleren Hochlauf ist ein Maßnahmenprogramm zur Optimierung der Kostenstrukturen sowie der Verbesserung und Neugestaltung von Arbeitsprozessen, das der Modekonzern zwischenzeitlich Ende 2008 eingeführt hat. Dabei steht auch die Reduzierung der Kollektionskomplexität im Vordergrund, um Produk­tions- und Logistikkosten zu senken.

Seit Mitte Oktober werden bis zu 100.000 Teile pro Tag umgeschlagen. In der Hochlastphase benötigt der Modekonzern 150 bis 200 Arbeitskräfte. Ein zentraler Lagerleitstand behält jederzeit den Überblick über alle ein- und ausgehenden Warenströme und ermittelt so den optimalen Personalbedarf.

Für die Zukunft rechnet Schneider mit weiterem Wachstum. Bis 2020 dürften die Kapazitäten aus seiner Sicht reichen. Alle Logistikverträge wurden entsprechend auf 15 Jahre ausgelegt. Bezüglich des neuen Hängewarenlagers geht Schneider von weiteren notwendigen Anpassungen aus. Diese dürften allerdings weniger in der Fördertechnik oder in der Software liegen, sondern eher die vor- und nachgelagerten Prozesse betreffen.
 



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